Konstruktive Konfliktbearbeitung

Konfliktbearbeitung in der Schule

Im schulischen Kontext ist es wichtig verbindliche Regeln für den Umgang mit Konflikten zu etablieren. Darüber hinaus hat es sich als sinnvoll erwiesen, Instrumente wie z.B. einen regelmäßig tagenden Klassenrat, Konfliktsprechstunden und Schüler-Streit­Schlichtung zu implementieren. Letztlich sollte das Ziel sein, ein Konfliktmanagementsystem in der Schule aufzubauen, das für alle Gruppen angemessene Bearbeitungsmöglichkeiten bereit stellt.

Peer Mediation/Schüler-Streitschlichtung

Peer Mediation ist weltweit an vielen Schulen verbreitet und gehört heute zur „Standardmethode“ schulischer Konfliktbearbeitung und Gewaltprävention.

Unter den Modellen und schulischen Ansätzen zur Gewaltprävention nimmt „Peer Mediation“ eine Sonderstellung ein, da hier die Konfliktlösung direkt von Schülerinnen und Schülern übernommen wird und nicht durch Lehrkräfte oder die Schulverwaltung. Peer Mediation ist dabei als Teil von „Peer Education“ zu verstehen, der die Idee von Erziehung von Jugendlichen durch Jugendliche zugrunde liegt.

Schüler-Streit-Schlichtungs-Programme sind stark ritualisierte Konfliktlösungsverfahren, die von speziell ausgebildeten Schülerinnen und Schülern bei Schüler-Schüler-Konflikten angewandt werden und oft den Kern von Gewaltpräventionsprogrammen in Schulen bilden.
Als Schulmediatoren arbeiten i.d.R. ältere ausgebildete Schülerin­nen und Schülern (der Schwerpunkt in Deutschland liegt zwischen dem 4.-7. Schuljahr), die bei Konflikten von jüngeren Schülerinnen und Schüler tätig werden. Bei Konflikten und Streitigkeiten findet dann – oft in einem eigens dafür eingerichteten Mediationsraum – das Konfliktgespräch statt. Häufig werden hierzu die Pausenzeiten verwendet, was mit Zeitdruck verbunden sein kann.

In vielen Ländern ist inzwischen die Pionier- und Aufbauphase von Schulmediation vorbei, und es folgt die Phase der Besinnung und der Reflexion. Dabei ist zu beachten, dass Schulmediation (in Deutschland) nur bei ca. einem Drittel der Schulen auf Dauer angelegt ist, die übrigen werden für einen Zeitraum von 1-3 Jahre konzipiert (vgl. Behn 2006).

Der pädagogische Nutzen von Peer-Mediation, der darin besteht, dass Schülerinnen und Schüler lernen, Verantwortung zu übernehmen, ist unbestritten. Aber gibt es auch eine direkte Auswirkung auf die Reduzierung von Gewalt? Können langfristig andere Um­gangsformen mit Konflikten gelernt werden?

Der Erfolg solcher Maßnahmen hängt offensichtlich weitgehend davon ab, inwieweit Lehrkräfte und Schulverwaltung bereit sind, dieses Programm zu unterstützen, als ein Element einer Konfliktkultur an der Schule zu begreifen und nicht zuletzt auch, wie Eltern einbezogen werden. Als „Inselprojekt“ bleibt der Ansatz weitgehend wirkungslos.

In Bezug auf das Schulklima besagen die meisten Evaluationsstudien, dass Peer Mediation-Programme ein positives moralisches Klima an den Einrichtungen hervorbrächten, an denen sie installiert sind. Zudem verringerten Schulmediatonsprogramme die Bereitschaft, auf autoritäre, schulische Maßnahmen zurückzugreifen. Bei diesen Ergebnissen muss man allerdings berücksichtigen, dass nur sehr wenige Längsschnittstudien vorliegen (vgl. Behn u.a. 2009).

Kriterien erfolgreicher Programm-Implementation

  • Sorgfältiges Abwägen zwischen schulweiter Implementation oder „Appendix-Modell“.
  • Einrichtung eines Koordinatorenteams.
  • Entwicklung eines Organisationsmodells der Schülermediation (nach Präsenz oder Bedarf).
  • Früher Beginn der Ausbildung von Peer Mediatoren.
  • Gründliche Ausbildung.
  • Einrichtung eines Mediationsraums.
  • Unterstützung durch die Schulleitung.
  • Maßnahmen zur Sicherung der Nachhaltigkeit.
  • Selbstevaluation.

Ingrid Engert: Mediation im Kontext Schule. In: Christiane Simsa/Wilfried Schubarth (Hrsg.): Konfliktmanagement an Schulen. Frankfurt/M.
2001, S. 221-231.

Streitschlichtung

Streitschlichtung

  • Haben Streitschlichter ein Erkennungsmerkmal (T-Shirt, Mütze ...)?
  • Gibt es einen eigenen Raum (Bauwagen, Holzhäuschen, Klassenzimmer)?
  • Gibt es feste Zeiten für Schlichter und Schlichtungsgespräche (wochenweise Einteilung in Teams, Pausendienst, Bürodienst ...).
  • Gibt es regelmäßige Treffen aller ausgebildeten Streitschlichter an der Schule (in der Region)?
  • Gibt es Patenklassen (einzelne Teams sind für bestimmte Klassen zu­ständig und kennen sich)?

Expertentipps

  • Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrkräften und Schülern ist wichtig.
  • Unterstützung durch Schulleitung und Lehrkräfte.
  • Kontakt zu Schulsozialarbeitern.
  • Werbung für Streitschlichtung (Plakate, Fotos, Flyer ...).
  • Teambildung der Streitschlichtergruppe.
  • Permanente Weiterbildung der Streitschlichter.
  • Keine Einmischung der nicht betrauten Lehrkräfte.
  • Qualitätsstandards für Ausbildung und Schlichtung entwickeln und überprüfen.

Probleme

  • Schüler haben keinen Respekt vor den Schlichtern.
  • Das Angebot wird von den Schülern nicht angenommen.
Streitschlichtung ist von den Lehrkräften nur toleriert, nicht akzeptiert. Vgl. ikm: Fotodokumentation der 6. Hamburger Streitschlichtertage 2008. Hamburg 2008.

Verschiedene Studien weisen auch darauf hin, dass Mediations­Programme einer typischen Entwicklung unterliegen. Sie erleiden nach etwa fünf- bis sechsmonatiger Existenz einen Einbruch. Nach einer Phase gebremster Skepsis bei der Einführung folgt zunächst Euphorie über das Erreichte, die sich dann in eine „Funktionsunfähigkeit“ wandelt und nach einer Phase der Erholung zu einer Wiederbelebung führen muss.

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse zur Schulmediationsforschung forderten Simsa und Schubarth (2001) bereits zu Beginn des neuen Jahrtausends eine Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung (Professionalisierung der Mediatorenausbildung, Mindeststandards, Installation von Unterstützersystemen, Vernetzung), Einbindung des Mediationsverfahrens in den Schulentwicklungszusammenhang und Reflexion über die erforderlichen materiellen und personellen Rahmenbedingungen.

Entscheidende Fragen für die Wirkung der Schulmediation sind auch, ob und wie Schulmediation als Instrumentarium im Schulgesetz verankert ist, ob eine finanzielle Förderung von Schulmediation erfolgt, wie Eltern und außerschulische Einrichtungen einbezogen und beteiligt werden und wie Projekte der Schulmediation untereinander vernetzt sind. Es zeigt sich, dass ein Arbeitsansatz ohne entsprechende Einbindung in eine Organisationsstruktur und ohne Zusammenspiel mit anderen wichtigen Teilelementen keine effektive Wirkung entfalten kann. In diesem Zusammenhang beklagen Behn u.a. (2009, S. 39) die – im Vergleich zum englischsprachigen Raum – mangelnde Akzeptanz von Schulmediation durch Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler.

Mediation und Sanktion Ein Ergebnis der Evaluation ist, dass es in den untersuchten Schulen oft kein klares und pädagogisch definiertes Verhältnis zwischen Mediation und schulischen Sanktionsmaßnahmen gibt. Mediation und Sanktion sollten als gleichwertige Instrumente nebeneinander installiert werden, um den Grundsatz der freiwilligen Inanspruchnahme der Mediation aufrecht zu erhalten. Wichtig ist eine Verständigung im Kollegium darüber, welche schulischen Strategien der Bearbeitung von Konflikten in welchen Situationen zum Einsatz kommen. Diese vereinbarten Vorgehensweisen sollten für die Schülerinnen und Schüler transparent gemacht werden.
Sabine Behn u.a.: Mediation an Schulen. Eine bundesweite Evaluation. Wiesbaden 2006, S. 275, Auszüge.

Stufen der Streitschlichtung im schulischen Bereich

  • Die Kontrahenten versuchen ihren Konflikt (nach den erlernten Regeln) selbst zu bearbeiten.
  • Schaffen sie es nicht, ihr Problem selbst zu bewältigen, nehmen sie Schlichtung durch Mitschüler in Anspruch.
  • Wenn diese Schlichtung keinen Erfolg hat, wird Schlichtung von einer Lehrkraft durchgeführt.
  • Falls auch diese Schlichtung den Konfliktparteien nicht weiterhilft, fällt die Lehrkraft einen Schiedsspruch.
  • In schwerwiegenden Fällen wird Schlichtung und Schiedsspruch von der Schulleitung als letzter Instanz angeboten.

Karin Jefferys-Duden: Streit schlichten lernen. In: Pädagogik, 7-8/99, S. 53 f.

Etablierung eines Konfliktmanagement­systems an der Schule

Helmolt Rademacher (2004, S. 49 ff.) weist darauf hin, dass Media- tion und Gewaltprävention in der Schule „sich nur dann langfristig und nachhaltig etablieren, wenn sie in der Schule akzeptiert und mit einer entsprechenden Struktur versehen werden.“ Dies gelinge jedoch nur selten: „Sogar dem Projekt ‚Mediation und Schulpro­gramm’, das in 200 Schulen in Hessen etabliert, in den meisten Schulen durch das Schulprogramm abgesichert ist und in sehr vielen dieser 200 Schulen regelmäßig durchgeführt wird, mangelt es in den meisten Schulen an einer sichtbaren, strukturellen Verankerung beispielsweise durch eine Projektgruppe oder eine andere strukturelle Absicherung“ (Rademacher 2005, S. 21). Als Konsequenz ist Rademacher der überzeugung, dass Mediation nur dann eine Chance auf nachhaltige Wirkung in der Gesellschaft hat, wenn sie Teil eines systemischen Veränderungsprozesses wird. Ziel wäre es, von Einzelmaßnahmen zu einem Konfliktmanagementsystem in der Schule zu kommen, das nach den Prinzipien der Organisations­entwicklung vorgeht, denn Konflikte müssen im gesamten System bearbeitet werden. Geschlossene Konfliktbearbeitungsprogramme sollen so in offene Konfliktmanagementsysteme transformiert werden.

Die aktuelle Diskussion um Konfliktbearbeitung in der Schule nimmt also einen Theorie- und Handlungsaspekt auf, der im Bereich der systemischen Familientherapie und Organisationsentwicklung seit vielen Jahren praktiziert wird.

Schulmediation und Gewaltprävention

Es ist noch nicht gelungen empirische Belege anzuführen, die nach­weisbare Veränderungen des Schulklimas oder auf der Verhaltensebene mit der Einführung von Schulmediationsprojekten begründen würden. Während es mittlerweise als gesichertes Ergebnis gelten kann, dass SchülerInnen und Lehrkräfte, die unmittelbar in das Schulmediationsprojekt eingebunden sind, von diesem in Bezug auf ihre Kompetenzentwicklung profitieren und von deutlichen Lerneffekten berichten, können die Wirkungen in anderen Bereichen oft nur anhand der subjektiven Einschätzungen der beteiligten PädagogInnen und/oder SchülerInnen nachvollzogen werden. Vor dem Hintergrund, dass viele Schulen ein Mediationsprojekt als Gewaltpräventionsprojekt einführen, ist es insbesondere als Manko anzusehen, dass die Forschung keine gesicherten Daten zu quantitativen Veränderungen der Gewalttaten vorweisen kann.
Sabine Behn/Nicolle Kügler/Dorte Schaffranke: Schulmediation in der Praxis(er)forschung. In: Perspektive Mediation, Heft 1/2009, S. 39.

Wiedergutmachung und Versöhnung

Ein wichtiger Teilbereich konstruktiver Konfliktbearbeitung stellt die Frage der Wiedergutmachung und Versöhnung dar, um so ein weiteres Zusammenleben und -arbeiten zu ermöglichen. Eine in der Jugendgerichtshilfe entwickelte Form stellt hier der Täter-Opfer­Ausgleich als außergerichtliche Konfliktregelung bei Straftaten dar. Täter und Opfer werden (auf freiwilliger Basis) zusammengeführt, um eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. Der Täter soll dem Opfer eine Wiedergutmachung leisten. Das Opfer soll sich mit dieser Wiedergutmachung einverstanden erklären. Für den schulischen Kontext können hier u.a. im Rahmen von Streitschlichtung aber auch darüber hinaus, vielfältige kreative Möglichkeiten der Wiedergutmachung, Entschädigung und des Ausgleichs gefunden werden (vgl. M3).

Das nichterzieherische Gespräch Marianne Gronemeyer schlägt im Umgang mit Konflikten das nicht-erzie­herische Gespräch vor: Es verzichtet auf den Konsens als Ziel, will den anderen weder manipulieren noch sonst wie beeinflussen und verändern, sondern ist daran interessiert, durch genaues und sorgfältiges Zuhören die Differenzen, die unterschied­lichen Auffassungen und Sichtweisen herauszuarbeiten und gelten zu lassen.
Vgl: http://vorarlberg.orf.at/ magazin/klickpunkt/focus/ stories/26101/

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