Rechtsextremismus

Rechtsextremismus

Rechtsextreme Einstellungen sind kein Randphänomen, sondern in allen gesellschaftlichen Gruppen und in allen Bundesländern (wenngleich mit unterschiedlicher Gewichtung) weit verbreitet. Menschen mit rechtsextremen Einstellungen bilden keine geschlossene, sondern eine sehr heterogene Gruppe. Ausländerfeindlichkeit und Chauvinismus als Dimensionen des Rechtsextremismus haben die höchsten Zustimmungswerte. Rechtsextremismus ist ein politisches Problem, das in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt ist. So einige Befunde neuerer Rechtsextremismusforschung (vgl. Decker u.a. 2008, S. 10 ff.).

Dabei ist zu beachten, dass es sich um Einstellungen handelt und nicht um entsprechend motivierte Handlungen, wie Wahlverhalten oder Gewalttaten. Gleichwohl gibt es einen Zusammenhang zwischen Einstellungen und Verhalten. Der harte Kern der organisierten Rechtsextremisten wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz für das Jahr 2008 auf ca. 30.000 Personen geschätzt. Rechtsextremistisch motivierte Straf- und Gewalttaten prägen in vielen Bereichen das öffentliche Klima und erzeugen vielerorts ein Gefühl von Ohnmacht, zumal wenn ganze Gebiete im rechtsextremen Sprachgebrauch als „national befreite Zonen“ bezeichnet werden, in denen es (nicht nur) für Ausländer gefährlich werden kann. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums (2009, S. 26) gab es 2008 bundesweit ca. 24.605 Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund.

Der (versuchten) Meinungsdominanz der Rechten muss entschieden entgegengetreten werden. Diskriminierungen und Gewalttaten dürfen nicht hingenommen werden.

Rechtsextreme Einstellungen Die Quote der deutschen Jugendliche, die der Aussage „In Deutschland gibt es zu viele Ausländer“ uneingeschränkt zustimmen, beträgt 29,7 %. In hohem Maß ausländerfeindliche Einstellungen haben 14,4% offenbart; als eindeutig rechtsextrem (ausländerfeindlich gekoppelt mit entsprechendem Verhalten) sind 5,2% einzustufen, stark antisemitisch haben sich zudem 4,3% der deutschen Jugendlichen geäußert.

Zu diesen Quoten kommt jeweils ein deutlich höherer Prozentsatz von deutschen Jugendlichen hinzu, die ausgeprägte Sympathien zu solchen Einstellungen und Verhaltensweisen aufweisen.
Ergebnisse einer repräsen tativen Umfrage des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen in den Jahren 2007/2008. Befragt wurden 44.610 Jugendlichen im Alter von 15 Jahren.
Dirk Baier/Christian Pfeiffer: Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt. Forschungsbericht 107. Kriminologisches Forschungs­institut Niedersachsen. Hannover 2009, S. 13.

Rechtsextreme Einstellungen

Was ist Rechtsextremismus?

Der Politikwissenschaftler Richard Stöss unterscheidet bei der Bestimmung des Rechtsextremismus zwischen der amtlichen Definition, z.B. der Verfassungsschutzbehörden und der wissenschaftlichen Untersuchung des Phänomens (vgl. Stöss 2007, S. 14 ff.; Heuss 2008).

Amtliche Definition
Im Amtsgebrauch ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) der Bundesrepublik Deutschland, so wie sie im Grundgesetz als dessen Kernbestand enthalten ist, der zentrale Prüfstein für die Bewertung einer Organisation oder Handlung als extremistisch: „Als extremistisch gelten Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben“ (Stöss 2007, S. 17). Zur Kennzeichnung als extremistisch tritt das Kriterium der Verfassungsfeindlichkeit erst hinzu, wenn extremistische Handlungen „aggressiv und planvoll die freiheitliche demokratische Grundordnung funktionsunfähig machen, um sie letztendlich zu beseitigen“ (Stöss 2007, S. 17). Wird etwa eine Partei als extremistisch eingeschätzt, so hat dies in der Regel die Beobachtung der betreffenden Organisation bzw. ihrer Mitglieder durch die Verfassungsschutzbehörden zur Folge, während die Einstufung als verfassungsfeindlich zu konkreten rechtlichen Schritten, bis hin zu einem Parteiverbot führen kann. Da die übergänge fließend sind, arbeiten die zuständigen Bundes- und Landesbehörden mit abge­stuften Kriterien: Es wird von einer demokratischen Mitte ausgegan­gen, welche sich, je nach Ausrichtung der beurteilten Institutionen, ins linke bzw. rechte politische Spektrum ausdifferenziert. Um Parteien, die stark in eine politische Richtung tendieren, jedoch noch auf dem Boden der FDGO agieren, von extremistischen zu unterscheiden, wird die Zwischenkategorie des Radikalismus verwendet. Als rechts- oder linksradikal „werden politisch-ideologische Grundeinstellungen beziehungsweise Bestrebungen bezeichnet, die gesellschaftliche Fragen und Probleme von deren Ursprüngen bis in die letzten Details, also mit besonderer Konsequenz und einseitiger Kompromisslosigkeit, zu lösen suchen“ (Nandlinger 2008). Dabei kann es sich z.B. um fundamentale Kapitalismuskritik von rechts oder links handeln, welche die Grundwerte der FDGO jedoch nicht berührt.

Es ist zu betonen, dass das amtliche Extremismus-Modell nicht den Anspruch erhebt, die tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnisse abzubilden, es „markiert lediglich den Grenzbereich zwischen den Grundprinzipien der Demokratie und demokratie­feindlichen Bestrebungen“ (Stöss 2007, S. 21). Im behördlichen Gebrauch geht es also in erster Line um die Beurteilung der Verfassungsfeindlichkeit von Handlungen, Organisationen etc. Die unterschiedlichen Facetten des Rechtsextremismus, also die Fragen, was seine gesellschaftlichen Ursachen und Folgen sind, was für sei­ne Weltanschauung kennzeichnend ist usw., müssen unter Rückgriff auf die wissenschaftliche Literatur erörtert werden.

FDGO Kennzeichnend für die freiheitliche demokratische Grundordnung sind acht Prinzipien:

  • Menschenrechte
  • Volkssouveränität
  • Gewaltenteilung
  • Verantwortlichkeit der Regierung
  • Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
  • Unabhängigkeit der Gerichte
  • Mehrparteienprinzip
  • Chancengleichheit der Parteien einschließlich Oppositionsfreiheit.

Richard Stöss: Rechtsextre­mismus im Wandel. Berlin 2007, S. 16.

Rechtsextremismus Modell

Wissenschaftliche Definitionen
Eine wissenschaftliche Definition gibt Hans-Gerd Jaschke (1994, S. 31): „Unter ‚Rechtsextremismus’ verstehen wir die Gesamtheit von Einstellungen, Verhaltensweisen und Aktionen, organisiert oder nicht, die von der rassisch oder ethnisch bedingten sozialen Ungleichheit der Menschen ausgehen, nach ethnischer Homogenität von Völkern verlangen und das Gleichheitsgebot der Menschenrechts-Deklarationen ablehnen, die den Vorrang der Gemeinschaft vor dem Individuum betonen, von der Unterordnung des Bürgers unter die Staatsräson ausgehen und die den Wertepluralismus einer liberalen Demokratie ablehnen und Demokratisierung rückgängig machen wollen.“ Kürzer bringt es Wilhelm Heitmeyer (2007, S. 3) auf den Punkt: „Rechtsextremistische Orientierungen sind charakterisiert durch die Verbindung von Ideologien der Ungleichwertigkeit der Menschen mit zumindest der Akzeptanz von Gewalt als Handlungsform“. Aus beiden Definitionen wird eine grundlegende Unterscheidung deutlich, die in der sozialwissenschaftlichen Literatur zum Rechtsextremismus breit etabliert ist, nämlich zwischen rechtsextremistischen Einstellungen und Verhalten.

Obwohl die Erscheinungsformen des politischen Rechtsextremismus in Deutschland sich z. T. deutlich unterscheiden, wird in der Forschung von einem ideologischen Grundbestand einer rechtsextremistischen Weltanschauung ausgegangen. Diese kennzeichnet, in unterschiedlichen Ausprägungen, rechtsextremistisches Gedankengut. Grundlegend für das Verständnis dieser Weltanschauung ist die strukturelle Differenz zwischen demokratischem und rechtsextremem politischem Denken. Während demokratische politische Ideen ständigen Aushandlungsprozessen unterliegen, die Vorläufigkeit bzw. Revidierbarkeit implizieren, grundsätzlich einem rationalen Begründungszwang unterworfen sind und die strukturelle Notwendigkeit von Kompromiss und Konzession zur Folge haben, handelt es sich beim Rechtsextremismus um politischen Fundamentalismus.

Einstellungen Einstellungen sind in der Regel dem Verhalten vorgelagert. Sie schlagen sich aber nicht zwangsläufig in konkreter Praxis nieder. Das gilt (...) generell: Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung ist politisch aktiv, und daher ist das rechtsextremistische Einstellungspotenzial wesentlich größer als das Verhaltenspotenzial. Einstellungen sind praxisrelevant, aber Verhalten kann sich auch auf Einstellungen auswirken. Jedenfalls ist die Unterscheidung zwischen Einstellungen und Verhalten analytisch notwendig.
Richard Stöss: Rechtsextremismus im Wandel. Berlin 2007, S. 26 f.

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